Busenblatt auf Kurswechsel
Berliner Morgenpost – 22 / 07 / 2001
Adé, Pornografie und Presserats-Rügen: Die Sex-Postille Coupé will plötzlich seriös werden – und stellte dafür ein neues Redaktionsteam zusammen.
Was Sie schon immer über Sex wissen wollten, steht jeden Monat in Coupé. Doch tummelten sich in dem billig-bunten Monatsheft bis vor kurzem auch Geschichten, von denen der Deutsche Presserat lieber nichts wissen will. Geistliche als Mitglieder der Kinderporno-Mafia; Kinder, dahingerafft von verseuchten Currywürsten; Frauenbrüste, von Killerläusen zerfressen. Die Stories haben alle einen kleinen Schönheitsfehler: Sie sind frei erfunden. Und mit Fotos gespickt, die man sich besser nur auf nüchternen Magen ansieht. Dafür hagelte es offizielle Rügen. Und für einen Eintrag ins Klassenbuch des Presserates muss man es schon ziemlich übel treiben. Auch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften setzte einige Ausgaben wegen unappetitlicher Sex-Fotos auf den Index.
„Igitt, ist das widerlich!“ Kirstin Pollheim überblättert rasch die von Killerläusen zerfressenen Brüste, Ausgabe Mai 2000. Trotzdem käme die 22-Jährige nie auf die Idee, sich beim Presserat zu beschweren. Denn seit knapp zwei Monaten ist Kirstin Pollheim – groß, schlank, in elegantes Schwarz gewandet – Coupé-Redakteurin in Hamburg. Fast überflüssig zu sagen, dass sie nicht so aussieht und redet, wie sich der durchschnittliche „Zeit“-Leser die Redakteurin einer Sex-Postille vorstellt. Schicksalsschläge und Erotik sind ihr täglich Brot. Auf ihrem Schreibtisch stapeln sich Forsa-Umfragen über der Deutschen liebste Sex-Spielzeuge oder Quickies an ungewöhnlichen Orten. Das Mittagessen schmeckt ihr trotz der seitenlangen oralen und sonstigen Ergüsse.
„Coupé ist zum Glück nicht mehr das, was es mal war“, sagt sie. Und: Wenn es nicht auch „die anderen Geschichten“ gäbe – Reportagen über Kriminalität in Paraguay, populärwissenschaftliche Texte über das Geheimnis von Atlantis, Reiseberichte -, würde sie hier nicht arbeiten. Früher hat sie als freie Journalistin für Boulevardblätter geschrieben. Dass sich ausgerechnet einige ihrer alten Kollegen über ihren neuen Job mokieren, findet Frau Pollheim daneben: „Die haben’s gerade nötig.“
Vor drei Jahren lag die Auflag von Coupé, das 1989 erstmals im Klaus-Helbert-Verlag erschien, bei 500 000 Stück; heute geht die Mischung aus Busen, Po und Sensationen noch 300 000 mal über den Ladentisch – vielleicht ein Grund für den Kurswechsel: Die Hamburger Verlagsgruppe Heinrich Bauer, die bereits 50 Prozent am Wiesbadener Helbert-Verlag hielt, schluckte das Unternehmen, das auch „Blitz Illu“ und „piep!“ herausgibt, im Januar ganz. Jetzt soll bei der „jungen Illustrierten“ Coupé alles ganz anders werden. Mehr Reportagen, weniger Sex. Angeblich. Auf der stark frequentierten Coupé-Homepage (www.coupé.de) hat dieser Sinneswandel noch keinen Niederschlag gefunden. Porno-Fans werden ihr sicherlich weiterhin die Treue halten. Langfristig möchte man aber in der Printausgabe zwischen all den „0190-Ruf-mich-an“-, „Pralle-Möpse“- und Potzenzmittelanzeigen, die das Heft pflastern, doch den einen oder anderen seriösen Anzeigenkunden gewinnen.
Chefredakteur Peter Rensch, der Mitte der 90er schon einmal Coupé-Chef war, wurde im Februar zurück ins Boot geholt, um die journalistische Stunde Null einzuläuten. Alles auf Anfang: Neuer Erscheinungsort, neues Konzept, neues Layout. Schritt für Schritt natürlich, man will ja die alte Leserschaft nicht verprellen. Vor allem aber setzt Rensch auf seine neue, junge Textredaktion. Insgesamt sind sie zu Acht, drei davon Volontäre. Der jungenhaft wirkende Rensch ist mit 37 der Redaktions-Oldie. Die anderen sind zwischen 20 und 30. „Wir wollen glaubwürdig sein. Keine Fakes mehr.“ Gestellte Fotos zu Themen wie Kinderpornografie tragen jetzt den Hinweis „Nachgestellte Szene“.
Alles andere könnte ab sofort peinlich werden, weil sich Bauer – im Gegensatz zu Helbert – verpflichtet hat, Rügen des Presserates im Heft abzudrucken. In Zukunft will Rensch auch mehr Promi-Geschichten im Blatt haben Das Problem ist nur, dass sich die meisten Promis noch sträuben. Das „Igitt“-Etikett haftet. Aber Rensch wirbt um Sympathien für sein Blatt. Die angepeilten Leser: Weiterhin zwischen 18 und 30. Natürlich keine Akademiker, da macht sich Rensch nichts vor. „Wir sind ja nach wie vor ein Boulevardblatt.“ Die Coupé-Leser werden sich auch in Zukunft an den nackten Titelmädchen oder am „Erotik-Report“ mit seinen unfreiwillig komischen Bildunterschriften ergötzen können.
Noch ist die Mischung krude: Einem Artikel über das Thema Sterbehilfe folgen die „Intimen Lusttricks der Sex-Profis“. Aber irgendwann, träumt Rensch, „sollen uns auch Studenten gerne lesen. Wir wollen so eine Art junger ‚stern‘ werden.“ Vielleicht deshalb wählte der Bauer Verlag als neue, gemeinsame Unterkunft für seine Schmuddelkinder – für die eigenen, „Praline“ und „Das neue Wochenend“, wie für die adoptierten aus Wiesbaden – ein Gebäude, das so kühl und anonym in einem Hamburg-Harburger Büropark steht, dass man hinter der Fassade eher ein IT-Unternehmen vermuten würde.
Die Großraum-Redaktion mit ihrem kahlen, grauen Wänden wirkt ungefähr so erotisierend wie ein Luftschutzbunker. Nur heller. Man merkt, dass das Team erst vor wenigen Wochen von Wiesbaden nach Hamburg umgezogen ist. „Wir hatten noch keine Zeit, unsere Dildos auszupacken und auf den Schreibtisch zu stellen“, flachst ein Redakteur. Sogar die Bildschirmschoner sind jugendfrei. „Bei den Kollegen vom ‚Playboy‘ sieht’s auch nicht anders aus“, grinst Gideon Schier, der die Pop-Seiten betreut und im Augustheft mit einem Interview mit „Deutschlands erotischster Boxerin“ vertreten ist.
Manuela Pfäffle, stellvertretende Chefredakteurin und als einzige im Team schon seit zehn Jahren bei Coupé, blättert in Katalogen – Otto-Versand, nicht Beate Uhse. „Für unsere Modeseiten“, erklärt sie. Neben dem Telefon türmt sich ein Stapel mit Nacktfotos – potenzielle Kandidatinnen fürs September-Cover. Bewerbungen von Mädchen, die sich zum Cover-Girl berufen fühlen, bekämen sie haufenweise. Auch viele Pärchen hätten keine Hemmungen, sich für „Erotik-Reports“ auszuziehen. Sie tauchen dann später als „Susi und Dirk“ oder „Kai und Tanja“ im Heft auf. „Man sollte den Exhibitionismus der Leute nicht unterschätzen“, bestätigt Casting-Frau Tanja Kock-Ruhle, die ein Stockwerk tiefer Briefe und Ganzkörperfotos sichtet.
War es Manuela Pfäffle jemals peinlich, zuzugeben, dass sie für Coupé arbeitet? Sie überlegt. Früher habe sie schon ein bisschen herumgedruckst, wenn sie auf einer Party mit jemandem ins Gespräch gekommen sei, der sich mit „Verlagsangestellte“ nicht zufrieden geben wollte. Die drei jungen Volontäre betrachten ihren Job eher als großen Spaß, bei dem sie „eine Menge lernen können“, wie Maja Esposito sagt, die vor ihrem Volontariat Spanisch und Ägyptologie studierte. Auch Volontärskollege Marco Möller fühlt sich nicht als journalistischer Schmutzfink: „Wir müssen unsere Geschichten doppelt und dreifach gegenchecken.“ Sein Theologiestudium hatte Marco fast abgeschlossen, als das Angebot von Coupé kam. „Meinen Schreibstil“, meint er, „habe ich natürlich ein wenig ändern müssen.“
Im Fotostudio werden derweil gerade die Agentur-Models Aniko und Sebastian fürs Erotik-Shooting gestylt. „Ausgelassene Sexspiele in der Wohnung“ lautet das Thema, das wenig später ins Szene gesetzt werden soll. Die beiden sind blond und ansonsten – hm – wie man sich Sex-Models so vorstellt. „Was soll’s, ihren Job machen die beiden gut“, sagt eine Frau aus dem Fototeam. „Kein Mensch erwartet, dass sie uns erzählen, wie der Bundestagspräsident heißt.“ Der durchschnittliche Coupé-Leser vermutlich auch nicht.
Fotos: Piel