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Mehr Teamwork im Krankenhaus

Im Klinikalltag kommt es immer wieder zu Reibungen. Jungmediziner fühlen sich schlecht vorbereitet, Pflegekräfte bemängeln die Hierarchien – und Patienten fühlen sich unverstanden. Ändern soll sich das durch gemeinsame Ausbildung an den Hochschulen

Jeweils vier Jungmediziner und vier angehende Krankenpfleger arbeiten vier Wochen lang Hand in Hand. Gemeinsam sind sie für mehrere Patientenzimmer verantwortlich: tägliche Visite, Nachversorgung der operierten Patienten, Planung der weiteren Versorgung, Übergabe an die Stationsärzte und Pflegeleitung. Wer angehender Arzt ist und wer Pfleger, können die Patienten auf den ersten Blick nicht unterscheiden; die jungen Leute tragen alle ein weißes, kurzärmeliges Oberteil zu weißen Hosen. Nur wer ganz genau hinsieht, erkennt, dass einige Namensschilder einen blauen Strich tragen, andere einen roten.

Diese interprofessionelle Ausbildungsstation des Uniklinikums Heidelberg (HIPSTA) verfolgt ein wichtiges Ziel: Medizinstudierende in ihrem praktischen Jahr (PJ) und Krankenpflegeschüler im letzten Ausbildungsjahr sollen voneinander lernen. Denn im Alltag vieler Kliniken kommt es immer wieder zu Reibungen. Ein grundlegendes Manko: Junge Mediziner fühlen sich durch ihr wenig praxisbezogenes Studium nur unzureichend auf den Alltag mit Patienten vorbereitet. Pfleger wiederum empfinden die Hierarchie mitunter als problematisch: „Im Krankenhausalltag sind die Ärzte medizinisch weisungsbefugt. Und manche lassen einen das als Pflegekraft auch spüren“, sagt Petra Giannis vom Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe (DBfK), die selbst Stationsleiterin der Geriatrie eines Bochumer Krankenhauses ist.

Die Zeiten, in denen Schwestern und Krankenpfleger bei der Visite hinter dem „Herrn Doktor strammstehen“ mussten, seien zwar vorbei. Sie selbst habe in ihren langen Jahren als Krankenschwester aber auch erlebt, dass Ärzte sie zurechtgewiesen und die Deutungshoheit in der Patientenversorgung klar für sich beansprucht hätten – „mit dem Argument: ‚Das weiß ich nun wirklich besser als Sie.‘ Das stimmt natürlich so pauschal nicht“, sagt Giannis. „Im Alltag ist es beispielsweise so, dass Krankenschwestern den Patienten meist besser verständlich machen können, was gerade mit ihnen geschieht oder welche Behandlung ihnen bevorsteht, als Ärzte – weil sie mit den Patienten, die sich von der Fachsprache der Mediziner oft überfordert fühlen, angepasst kommunizieren.“

Auf Kommunikationsfähigkeit wird im Projekt HIPSTA großer Wert gelegt. Regelmäßiges Feedback dazu bekommen die Teilnehmer von dem Chirurgen und Lehrbeauftragten André Mihaljevic und der Stationsleiterin Birgit Trierweiler-Hauke, die die Ausbildung der HIPSTA-Teams koordinieren. Sie achten genau auf die Körpersprache und die Empathie gegenüber den Patienten. „Während der Visiten sind wir zwar anwesend, halten uns allerdings strikt im Hintergrund – die jungen Kollegen sollen Ansprechpartner für die Patienten sein“, erklärt André Mihaljevic. Er sagt, dass er während seines eigenen Studiums in Heidelberg nur sehr selten Kontakt zu Pflegenden gehabt habe und das sehr bedauere. „Deshalb hoffe ich sehr, dass bald auch andere Kliniken das HIPSTA-Modell einführen – und sich andere Hochschulen davon inspirieren lassen.“ Befragungen von Patienten auf der chirurgischen Station im Rahmen des Projekts hätten ergeben, dass diese sehr zufrieden mit der Versorgung durch die gemischten Teams seien.

Auch die Teilnehmer bestätigen den Erfolg: „Ich bin eigentlich kein schüchterner Mensch. Aber früher fehlte mir meistens der Mut, bei Visiten auch mal etwas zu sagen und das Wort an den Arzt oder die Ärztin zu richten“, sagt Lisa Murrmann, die 2018 ihre Ausbildung in Gesundheits- und Krankenpflege am Klinikum abschloss. „Das hat sich durch das eigenverantwortliche Arbeiten im Team grundlegend geändert.“

Hannah May, die als angehende Ärztin an HIPSTA teilnahm, hat viel von den Pflegeschülern gelernt: „Ich habe eine gute Vorstellung davon bekommen, was sie im Stationsalltag leisten – und wie sinnvoll es ist, dass Ärzte wie Pfleger ihre jeweiligen Kompetenzen gleichberechtigt für die Patientenversorgung einbringen.“ Und: Auf der Ausbildungsstation habe sie sich nicht nur praktische Fertigkeiten angeeignet – etwa eine Drainage zu versorgen oder den Blutdruck richtig einzustellen –, sondern auch, wie man mit Vertretern anderer medizinischer Berufe richtig kommuniziere.

Die Idee für dieses gemeinsame Lernen sei von einer Gruppe von Studierenden selbst gekommen, berichtet Mediziner Mihaljevic. Diese hätten einen Teil ihrer Famulaturen in skandinavischen Krankenhäusern absolviert – und dort eine ganz andere Medizinerausbildung und einen anderen Krankenhausalltag erlebt, nämlich interprofessionelles Arbeiten von Anfang an. Krankenhäuser in Schweden, Dänemark oder Norwegen sind deshalb bei deutschen Pflegekräften, die im Ausland arbeiten wollen, sehr beliebt als Arbeitgeber – ganz abgesehen von der wesentlich besseren Entlohnung.

Ein wichtiger Unterschied ist auch, dass Alten- und Krankenpfleger nicht wie in Deutschland an Schulen, sondern akademisch an Hochschulen ausgebildet werden. Deutschland ist laut dem DBfK in der Europäischen Union fast das einzige Land, das ein solches Studium nur ganz vereinzelt an Fachhochschulen anbietet. „Das muss sich dringend ändern“, sagt Stationsleiterin Birgit Trierweiler-Hauke, die auch Mitautorin mehrerer Fachbücher über Pflege ist. Deutsche Pflegekräfte würden zwar bereits jetzt inhaltlich sehr gut ausgebildet. „Es geht aber darum, diese Ausbildung aufzuwerten und auf das Level der Medizinerausbildung zu heben“, betont sie. „Ich könnte mir vorstellen, dass deutlich mehr Universitäten mit Medizinerausbildung darüber nachdenken würden, gemeinsame interprofessionelle Praxisphasen oder Lehrveranstaltungen einzuführen, wenn die künftigen Pflegefachkräfte ebenfalls im Rahmen eines Studiums ausgebildet würden.“ Deshalb sei ein akademisches Label für die Ausbildung wichtig.

HIPSTA konnte mit Fördermitteln der Robert-Bosch-Stiftung angeschoben werden, die ein Programm für interprofessionelle Programme in der Medizinerausbildung aufgelegt hat. Heidelberg ist nicht die einzige Hochschulmedizin, die erkannt hat, wie wichtig solche Lehrveranstaltungen und Tutorien bereits zu Beginn des Studiums sind. Weitere Beispiele für gemeinsame Lehrveranstaltungen gibt es auch an der Berliner Charité, in Freiburg – und an der Technischen Universität Dresden. Dort müssen Medizinstudierende von Studienbeginn an jedes Semester an einer eintägigen Praxispflichtveranstaltung teilnehmen – seit Neuestem auch gemeinsam mit Schülern der auf dem Campus beheimateten Carus-Akademie für Pflegeberufe. Es geht dann beispielsweise um Themen wie Hygiene im Operationssaal, schwierige Patientengespräche, den Umgang mit invasiven Zugängen oder Maßnahmen bei einer Geburt. Was Teilnehmer bei solchen Veranstaltungen neben praktisch-handwerklichen Fertigkeiten vor allem auch lernen, erklärt Nachwuchsmediziner Alexander Frühauf: „Es geht nicht nur darum, rational und automatisch die richtigen Entscheidungen zu treffen und Maßnahmen zu ergreifen, sondern auch darum, zu erkennen, was der Patient in einer schwierigen Situation emotional braucht.“

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